Jeanette (22) mit Lena (1½)
Anfrage
Das zuständige Jugendamt stellt für die 22 jährige Jeanette und ihre Tochter die Aufnahmeanfrage bei der MKE. Bei der jungen Mutter haben sich die Konflikte mit ihrer Familie, bei der sie mit ihrer 1½ jährigen Tochter Lena auf sehr beengtem Raum wohnte, so zugespitzt, dass sie schließlich in das Frauenobdach Karla 51 gezogen ist. Sie ist getrennt vom Vater ihres Kindes und hat seit kurzem eine neue Beziehung. Jeanette hat zwar einen Hauptschulabschluss, da sie jedoch nur sehr unregelmäßig in der Schule war, ist er entsprechend schlecht. Es finden zwei Aufnahmegespräche mit der MKE-Leitung statt, zudem soll Jeannette einen Lebenslauf sowie ein Motivationsschreiben erstellen. Jeanette erhält eine Platzzusage.
Einzug
Da Jeanette ohne jegliche Möbel aus dem Frauenobdach kommt, wird ihr zunächst mit der Notfallausstattung der MKE ausgeholfen. Nach dem Einzug erhält Jeanette vom Jugendamt finanzielle Mittel für eine Möbelerstausstattung für sich und ihr Kind. Es wird besprochen, dass die Anschaffungen kindgerecht und bezahlbar sein sollten, wie sie transportiert, geliefert und aufgebaut werden. Neben der Wohnungseinrichtung stehen in der Phase der Neuaufnahme zahlreiche Behördengänge auf dem Programm, beginnend mit der Ummeldung beim Kreisverwaltungsreferat, Mitteilungen der Adressänderung über die Anmeldung bei den Stadtwerken und dem Telefonanbieter bis hin zur Klärung von Krankenversicherung, Fahrkarten und Finanzen. Schließlich wird, ergänzend zum Hilfeplangespräch im Jugendamt, in einer internen Betreuungsplanung mit ihr erarbeitet und dokumentiert, wie die anstehenden Themen in welchen Schritten in den nächsten Wochen und Monaten angegangen werden. Es wird besprochen, welche jetzt zunächst die Schwerpunkte sind.
Betreuungsverlauf
Für Lena wird in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt ein Hilfeplan für einen Kontingent-Krippenplatz erstellt, da ergänzend zur Unterstützung durch die MKE die Kontakte zu anderen Kindern und die regelmäßige Struktur, die der Krippenbesuch schafft, eine wichtige Stütze in der Entwicklung des Kindes darstellen. Jeanette meldet ihre Tochter bei verschiedenen Einrichtungen in Wohnortnähe an, hierbei unterstützt sie die Bezugspädagogin.
Weil Jeanette in vielen Erziehungsfragen unsicher ist, werden in den Betreuungsterminen kontinuierlich Themen wie Tagesstruktur, Grenzen setzen, Rituale, Umgang mit Medien, altersgemäße Beschäftigung und Förderung besprochen. Um eine Einschätzung bezüglich Lenas Entwicklung und entsprechende Förderanregungen zu bekommen, nimmt sie an einem Entwicklungsgespräch nach der ›Beller-Tabelle‹ teil. Jeanette braucht Unterstützung bei der Haushaltsführung. Sie nimmt regelmäßig an der MKE-Kantine teil, mit dem Ziel, kochen zu lernen – zudem tut es ihr und ihrer Tochter gut, einmal wöchentlich in Gemeinschaft mit anderen zu essen.
Da sie über Verträge mit Handyanbietern und Fitnessstudios Schulden angehäuft hat, wird sie an eine Beratungsstelle angebunden, die sie bei der Schuldenregulierung begleitet. Der Umgang mit Geld wird regelmäßig in der Betreuung thematisiert. Bei einer Gerichtsverhandlung wird sie wegen wiederholten Schwarzfahrens zu Sozialstunden verurteilt, die sie nach und nach ableistet. Da Lena noch keinen Krippenplatz hat, wird für die Tochter stundenweise eine Betreuungsperson organisiert.
Um berufliche Perspektiven für sich entwickeln zu können, besucht sie das MKE-Berufscoaching, das sie letztendlich in eine Berufsvorbereitende Maßnahme für junge Mütter, Azubine PLUS, vermittelt. Ziel ist die Verbesserung ihres Schulabschlusses sowie der Beginn einer Ausbildung. Zudem nimmt Jeanette an einer mehrtägigen Fit-for-Job-Freizeit teil, bei der auch Kinderbetreuung angeboten wird.
Jeanette hat zwar Stress mit ihrem aktuellen Freund und sie erwägt, sich zu trennen, dennoch nimmt sie am Angebot der Einzelberatung zur Familienplanung teil und findet eine für sie geeignete Verhütungsmethode. Auch mit ihrer Familie sowie mit dem Kindsvater gibt es weiterhin Schwierigkeiten. Um die Kontakte auch für das Kind zu erleichtern, wird eine Umgangsregelung erarbeitet. Als Lena zwei Jahre alt wird, bekommt sie ganztags einen Krippenplatz in einem Haus für Kinder (Krippe und Kindergarten) und ihre Mutter kann mit der berufsvorbereitenden Maßnahme beginnen. Es gelingt ihr dort, trotz anfänglicher Schwierigkeiten, innerhalb des nächsten Jahres ihren Schulabschluss zu verbessern und über ein Praktikum einen Ausbildungsplatz im Einzelhandel mit reduzierten Arbeitszeiten zu finden. Sie benötigt jedoch ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) zur schulischen Unterstützung. Ihre Schulden hat sie bereits zu einem Großteil abbezahlt.
Lena erhält nach einem Entwicklungsgespräch in der Krippe aufgrund einiger Entwicklungsverzögerungen heilpädagogische Förderung. Da sich das Verhältnis zur Herkunftsfamilie, insbesondere zu Jeanettes Mutter, inzwischen wieder verbessert hat, kann diese sie auch im Krankheitsfall oder am Wochenende bei der Kinderbetreuung unterstützen. Jeanette möchte gerne in eine eigene Wohnung ziehen und stellt einen Sozialwohnungsantrag für sich und Lena.
Auszug
Nach einer Wartezeit, bekommt sie die ersten Wohnungsvorschläge, und schließlich die Zusage für eine Wohnung, bei der die Fahrtwege zwischen Wohnung, Kindergarten und Ausbildungsstelle zu bewältigen sind. Zum Umzugstermin wird alles organisiert, die bisherige Wohnung wird gestrichen und renoviert. Da in der neuen Wohnung keine Küche ist, wird die Anschaffung und Finanzierung geklärt. Auch alle weiteren finanziellen Belange werden besprochen und die entsprechenden Anträge gestellt, z. B. auf Unterhaltsvorschuss nach dem UVG und Berufsausbildungsbeihilfe.
Die MKE–Betreuung endet mit dem Umzugstermin.
Selma (18), schwanger mit Sami
Anfrage
Die 18-jährige Selma aus Somalia ist nach Deutschland geflüchtet und befindet sich bereits in einer stationären Jugendhilfemaßnahme. Diese Einrichtung muss sie nun aufgrund ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft verlassen. Ihr Freund und Vater des Kindes lebt in einer Gemeinschaftsunterkunft. Selma hat einen anerkannten Flüchtlingsstatus und ist im Besitz eines sogenannten ›blauen Passes‹, also einer Aufenthaltserlaubnis. Sie besucht die SchlaU-Schule (Schulanaloger Unterricht für junge Flüchtlinge). Die erste Anfrage bei der MKE erfolgt in Absprache mit dem Jugendamt über die Jugendhilfeeinrichtung. Es finden zwei Aufnahmegespräche mit der MKE-Leitung statt, zusätzlich erstellt Selma einen Lebenslauf sowie ein Motivationsschreiben. Selma erhält eine Platzzusage.
Einzug
Selma besitzt bereits einige Möbel. Die vorherige Einrichtung unterstützt sie beim Umzug. Neben allen bürokratischen Erledigungen, die zu Beginn einer Betreuung anstehen, wird eine komplette Babyerstausstattung angeschafft.
Betreuungsverlauf
Das Thema Schwangerschaft und Geburt steht im Vordergrund. Es wird eine Hebamme gesucht und ein Geburtsvorbereitungskurs organisiert, Klinikanmeldung, Begleitung zur Frauenärztin sowie Kontakt zu einer Doula (Geburtsbegleiterin) stehen an. Selma wird über die Abläufe informiert und bekommt Unterstützung.
Nach der Geburt ihres Sohnes Sami geht es vor allem auch um administrative Hilfe bei der Vaterschaftsanerkennung, der Geburtsurkunde, dem Asylantrag des Kindes sowie bei der Antragstellung auf Kindergeld. Der Anspruch auf Elterngeld muss geklärt werden.
Im Anschluss an die Betreuung durch die Hebamme wird Selma durch eine Kinderkrankenschwester unterstützt, die wöchentlich Hausbesuche bei ihr macht. Ein Schwerpunkt bei diesen Terminen ist die Ernährung, da sie dazu neigt, ihr Baby zu überfüttern. Sie wird zu den Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt begleitet.
Nach den ersten Wochen besucht Selma mit Sami die einrichtungsinterne Babygruppe, die den Müttern die Möglichkeit bietet, sich auszutauschen, gemeinsam mit den Babys Lieder zu singen, zu spielen und so auch Informationen und Anleitung zu erhalten. Damit Sami in absehbarer Zeit einen Krippenplatz bekommt, wird ein Hilfeplan für ihn erstellt.
Selma braucht nicht nur bei Behördengängen und beim Umgang mit Verträgen Begleitung und Unterstützung, sondern, insbesondere aufgrund der Sprachbarriere, auch bei Postsachen und Anträgen. Sie kommt zwar mit ihren Finanzen ganz gut zurecht, benötigt jedoch noch bei der Kontoführung und der Eröffnung eines Sparkontos (z. B. für Anwaltskosten) Beratung. Da sie zum ersten Mal allein in einer Wohnung lebt, benötigt sie Informationen bezüglich Heizung, Lüften, Treppenhausreinigung und Haushaltsführung, auch der Umgang mit Handwerkern und Nachbarn ist Thema.
In der MKE-Kantine kocht Selma Gerichte aus ihrer Heimat. Sie nimmt gerne an den Gruppenangeboten teil, sowie auch an einer mehrtägigen Freizeit in den Bergen. Außerdem nimmt sie das Angebot der Einzelberatung zur Familienplanung und Verhütung wahr.
Als Sami sieben Monate alt ist, kann die MKE eine stundenweise Kinderbetreuung anbieten, so dass sie an einem Fahrradkurs teilnehmen kann, den die MKE für eine kleine Gruppe organisiert hat. Zudem vereinbart sie Termine mit dem MKE-Berufscoaching, wo sie individuell bei der Erarbeitung von beruflichen Perspektiven unterstützt wird. Neben einem gesicherten Schulabschluss geht es vor allem um ihre Berufsorientierung und die Vereinbarkeit von Kind und Beschäftigung.
Als Sami elf Monate alt ist, kann Selma dreimal wöchentlich an einem Deutschkurs mit Kinderbetreuung teilnehmen. Dennoch ist bei wichtigen Gesprächen noch eine Dolmetscherin erforderlich. Bezüglich wesentlicher Erziehungsfragen, z. B. Zweisprachigkeit, Umgang mit Ernährung oder Medien, wird sie kultursensibel beraten und angeleitet. Selma kann diese Unterstützung gut für sich annehmen. Da es jedoch häufig Streitigkeiten in Erziehungsfragen mit dem Kindsvater gibt, wird ihnen ein muttersprachliches Elterntraining bei Refugio empfohlen. Selmas emanzipatorische Entwicklung ist schwierig für ihren Partner.
Nachdem Sami einen Krippenplatz bekommen hat, steigt Selma wieder in die Schule ein, um ihren Schulabschluss zu machen. Nach einem Praktikum hat sie den Berufswunsch, medizinische Fachangestellte zu werden. Im Berufscoaching wird daran gearbeitet, einen entsprechenden Ausbildungsplatz mit passenden Arbeitszeiten zu finden. Ein Problem ist allerdings ihr Zeitmanagement.
Die Versorgung ihres Sohnes und die Anforderung der Schule unter einen Hut zu bringen, fordert sie sehr, dadurch kommt sie häufig zu spät in die Schule, außerdem hat sie viele Fehltage. Dennoch schafft sie den Schulabschluss. Mit Unterstützung der BBJH (Berufsbezogene Jugendhilfe) findet sie auch einen Ausbildungsplatz in einer Apotheke zu reduzierten Arbeitszeiten, wobei sie weiterhin auf ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) angewiesen ist.
Auszug
Selmas Freund kann, da sein Asylantrag genehmigt ist, aus der Gemeinschaftsunterkunft ausziehen. Nachdem sie zusammenziehen möchten, stellen sie gemeinsam einen Sozialwohnungsantrag. Nach Erhalt des Bescheides müssen allerdings sechs Monate warten, bis die ersten Vorschläge kommen. Schlussendlich können sie den Umzug in die eigene Wohnung organisieren. Hierbei stellt die Klärung des Lebensunterhaltes noch einmal eine Herausforderung dar, damit die junge Familie während des Übergangs in die Selbständigkeit finanziell abgesichert ist.
Die MKE-Wohnung wird renoviert und wartet auf eine neue Bewohnerin.